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Aktuelle Ausstellung „Diversität der Biodiversität“

07.10.2025

Die erste Ausstellung der neuen Dialogplattform „Ludwig, Max + U“ wird von Forschenden der Fakultät für Biologie gestaltet. Zum Auftakt präsentiert die LMU eine Schau, die sich dem Thema Biodiversität widmet.

Die Ausstellung "Diversität der Biodiversität" zeigt, wie vielfältig das Thema Biodiversität innerhalb der Fakultät Biologie beleuchtet wird. Mit ästhetischen Exponaten, anschaulichen Grafiken und leicht verständlichen Texten wird Wissenschaft in der Ausstellung für alle erlebbar.

Die Bandbreite der Arbeiten reicht von der Zukunft des Olivenöls über die Pubertät von Schmetterlingen bis hin zur Frage, wie sich die Entwicklungsgeschichte des Menschen anhand von Affenurin nachvollziehen lässt.

Gleichzeitig wird sichtbar, wie eng Forschung mit sozialen und ethischen Fragen verbunden ist. Denn bei den ausgestellten Projekten geht es auch um unsichtbare Carearbeit und liegengebliebene Aufgaben, um nachhaltiges wissenschaftliches Arbeiten und darum, wie Vielfalt Effizienz fördern kann.

Besucher und Besucherinnen sind zudem eingeladen ihre eigene Sicht auf das ausgestellte Thema zu erkunden und an dem Wissenschaftsdialog der LMU teilzunehmen.

Prof. Dr. Annika Guse

© Carolin Bleese

Professorin für Molekulare Zellbiologie

Vielfalt ist Schönheit

Das sind Anemonen. Anemonen leben dort, wo andere Urlaub machen: Im seichten Gewässer von Korallenriffen. Eigentlich geht das gar nicht, denn hier findet sich für sie nur wenig zu essen. Was aber ausreichend vorhanden ist, ist Licht. Und einzellige Algen. Diese gehen mit der Anemone in eine intrazelluläre Symbiose und verarbeiten das vorhandene Licht per Photosynthese zu Zucker, Fett und Aminosäuren.

Somit liefert die Alge genau das, was die Anemone zum Leben braucht. Im Gegenzug bekommt sie Nährstoffe und Schutz. Umweltstress wie Meereserwärmung oder -verschmutzung stört dieses sensible Gefüge und kann zur Trennung führen, was beiden letztlich die Lebensgrundlagen entzieht. Ohne einander können sie nämlich nicht. Korallen machen es ähnlich wie Anemonen. Sie bauen ihre Kalkskelette `algenbetrieben ́ zu Riffen aus.

Als Metropolen unter Wasser sind sie ein absoluter diversity-hot-spot. Sie sichern unzähligen Arten den Lebensraum, federn unter anderem die Folgen von Hurricanes ab und liefern wichtige Substanzen für die Medizin und das Leben über Wasser.

Prof. Dr. Joachim Haug

© Carolin Bleese

Lichtenberg Professur für Zoomorpholgie

Existenzform: Larvenstadium

Hier schlummern Larven im Bernstein. Sind sie nicht schön? Zugegeben, eine lebhaft summende Biene oder ein fröhlich flatternder Schmetterling ist vielleicht schöner, aber erstens ist jedes Insekt nur eine erwachsen gewordene Larve.

Und zweitens macht ihre Zeit als hübsche Frühlingsboten auf bunten Blumenwiesen nur einen kleinen Teil ihres Lebenszyklus aus. Wie viele andere Insekten verbringen sie den Großteil ihres Daseins als Larven im Dunklen. Hier bewegen sie sich in ganz anderen Kreisen, und haben dabei auch ganz andere Bedürfnisse.

Der Fokus in der Forschung liegt jedoch häufig und hauptsächlich auf den Bedürfnissen der ausgewachsenen Insektenmännchen. Dieser Blickwinkel ist überholt. Er wird der Vielfalt der Insektenwelt mitsamt ihrer Entwicklungsstadien nicht gerecht. Wir könnten mehr für den Schutz der Biodiversität tun, wenn wir die Bedürfnisse der Larven in ihrer Umgebung erfassen würden, auch wenn diese für uns Menschen weniger sichtbar oder hübsch sind.

Prof. Dr. Silke Robatzek

© Carolin Bleese

Professorin für molekulare Interaktionen zwischen Pflanzen und Mikroben

Der Geschmack guten Olivenöls ist aus unserer heutigen Küche nicht mehr wegzudenken. Doch was tun wir, wenn die Pflanzen krank werden, deren Früchte uns das beliebte Öl liefern? Aktuell befällt das eingeschleppte Bakterium Xylella fastidiosa ganze Olivenhaine, und diese sind ihm weitgehend schutzlos ausgeliefert – herkömmliche Pflanzenschutzmittel helfen nicht.

Um den Baum als Olivenlieferant zu erhalten, braucht es neue, nachhaltige Schutzstrategien. Forschende untersuchen deshalb, wo das Immunsystem der Pflanze Schwächen zeigt. Ziel ist es konkret gegenzusteuern und biologische Strategien zur Stärkung der Abwehrkräfte des Baumes zu entwickeln. Dieser Ansatz des „inneren Pflanzenschutzes“ könnte nicht nur den Olivenbaum (und damit unser Salatdressing) retten, sondern auch als Vorbild für andere Nutzpflanzen dienen. Denn Xylella fastidiosa befällt weltweit
zahlreiche Nutzpflanzen – und hat dabei einen ähnlich guten Geschmack wie wir. Im Zentrum dieser Forschung steht daher nicht nur ein einzelner Baum, sondern der Schutz unserer Nahrungsmittelversorgung und der Zukunft landwirtschaftlicher Betriebe.

Prof. Dr. Herwig Stibor

© Carolin Bleese

Professor für Aquatische Ökologie

Keinen verlieren

In diesen Fläschchen befindet sich unterschiedliches Phytoplankton. Phytoplankton schwebt zwar frei in allen Salz- und Süßwassern umher, ist aber für das menschliche Auge kaum sichtbar. Sowieso ist ein Großteil der Vielfalt des Lebens für uns unsichtbar – dabei jedoch höchst bedeutsam.

So ist Phytoplankton zum Beispiel für die Hälfte der weltweiten Sauerstoffproduktion verantwortlich. Sauerstoff entsteht per Photosynthese, Photosynthese braucht Licht. Damit diese auch unter Wasser und in lichtarmen Tiefen funktionieren kann, hat das Phytoplankton unterschiedliche Pigmente. Durch die Kombination dieser Pigmente wird das gesamte vorhandene Lichtspektrum ausgeschöpft. Die Vielfalt der Farben spiegelt also die Vielfalt der beteiligten Organismen wieder und macht deutlich, wie divers eine Gemeinschaft sein muss, damit sie gut funktioniert.

Ein Verlust an Diversität auf dieser Ebene ist zunächst unsichtbar, hat allerdings erhebliche Auswirkungen auf die Performance des Phytoplanktons und damit auf das Leben im Allgemeinen. Denn weniger bunt heißt weniger effizient, was wiederum weniger Sauerstoffproduktion bedeutet. Im Klartext: Ohne die unsichtbare Vielfalt des Phytoplanktons geht uns hier erst die Luft und damit recht schnell das Licht aus.

Dr. Carolin Haug

© Carolin Bleese

Privatdozentin für Zoologie und Paläontologie

Diversität braucht Back-ups

Hier sieht man einen Ohrwurm und einen Netzflügler. Die beiden Insekten sind zwar nur entfernt miteinander verwandt, haben aber doch ein ganz ähnliches Greifwerkzeug. Zugegeben, an unterschiedlichen Körperstellen, aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass sie damit ganz ähnliche Funktionen erfüllen können.

Was der Netzflügler mit seinen Mundwerkzeugen macht, macht der Ohrwurm eben mit seinem Hinterteil und das heißt, dass unterschiedliche Arten ähnliche Aufgaben innerhalb eines Ökosystems übernehmen können. Die beiden stellen füreinander quasi eine Art natürliches Back-Up ihrer Funktionen. Für den Erhalt eines Ökosystems geht es also weniger darum, wer etwas macht, als vielmehr darum, dass es gemacht werden kann.

Vergleichbar mit einer WG: Für deren Sauberkeit ist es theoretisch nicht wichtig, wer dort wohnt. Es ist nur wichtig, dass irgendjemand aus der WG in der Lage ist, den Müll runter zu bringen. Problematisch wird es für die WG, beziehungsweise für ein Ökosystem, dann, wenn eine Funktion verschwindet und niemand mehr da ist, der sie ausführt. Es geht beim Umweltschutz also nicht nur darum, Arten zu schützen, sondern auch und vor allem darum, Funktionen und funktionale Zusammenhänge zu schützen.

Dr. Johanna Geuder

© Carolin Bleese

wissenschaftliche Mitarbeiterin, PostDoc im Bereich Anthropologie und Humangenomik

Wie sind wir da hingekommen?

Salz gilt als weißes Gold. Für diese Forschungsarbeit ist Affenurin flüssiges Gold. Die Zellen aus dem Urin liefern wichtige Einblicke in die Genetik von Primaten und lassen dadurch Rückschlüsse auf die Entwicklung des Menschen zu. So zeigen die Forschungen unter anderem, dass Kultur- und Umwelteinflüsse die Evolution viel stärker geprägt haben, als angenommen und dass Evolution kein geradliniger Prozess ist, kein „march of progess“.

Nicht die stärksten Arten überleben, sondern diejenigen, die sich am besten an veränderte Bedingungen angepasst haben. Forschung, die unsere eigene Grundlage als Primaten in den Blick nimmt, kann wissenschaftliche Irrtümer korrigieren und Theorien überprüfbar machen.

Wir verstehen durch sie, wo wir heute sind und können deshalb zum Beispiel auch gegenwärtige menschliche Krankheiten besser begreifen. Die enormen genetischen Gemeinsamkeiten – das menschliche Genom unterscheidet sich gerade mal zu
1,2 % von dem eines Schimpansen – sind dabei ausschlaggebend.

Prof. Dr. Marc Gottschling

© Carolin Bleese

Professor für Systematische Botanik

Wer bist Du und wie heißt Du?

Diese Zeichnungen von verschiedenen Einzellern sind kurz nach 1830 entstanden. Zugegeben, schon etwas älter. Die Erfassung der Biodiversität von Einzellern startete aber auch bereits vor etwas längerer Zeit, und trotz Generationen von fleißig Forschenden gibt es mutmaßlich immer noch mehr als 10 Millionen unbeschriebene Arten im Mikrokosmos zu entdecken. Warum sollten wir uns diese Mühe machen?

Ganz einfach: Weil Einzeller die Grundlage allen komplexeren Lebens sind. Ohne sie läuft auf dieser Erde gar nichts, und deshalb sollten wir sie genau ins Auge fassen. So wie Herr Ehrenberg (und seine Kollegen) es vor knapp 200 Jahren getan haben, obwohl sie für ihre Zeichnungen damals noch keine modernen Mikroskope zur Verfügung hatten. Gerade weil die Technik heute viel weiter ist, bleibt das genaue Hinschauen unverändert notwendig. Schließlich bauen die Forschungen von Heute auf denen von Gestern auf, die Forschungen von Morgen auf denen von heute.

Da die Erfassung der Einzellervielfalt allein wegen ihrer schieren Menge nicht innerhalb eines wissenschaftlichen Lebens machbar ist, gilt es gemeinsam und durchgängig exakt zu arbeiten. Je genauer man eine Art beschreibt, desto eher lassen sich ihre unterschiedlichen Funktionen und ihre damit verbundenen Rollen im Ökosystem charakterisieren und hierdurch auch schützen.